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Das kalte Quintett – was hinter den Eisheiligen im Mai steckt

Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die Kalte Sophie. Die Eisheiligen prägen bis heute das Leben von Bauern und Gärtnern. Was hinter den jahrhundertealten Regeln steckt und warum der Mai meist erst zehn Tage später kalt wird.

Kirschblüten im Schnee, Eisheilige (Bild: Mauritius Images)
Foto: Mauritius Images
Im Mai kann es nochmal frostig werden wenn die Eisheiligen eintreffen.

In einer alten Bauernregel heißt es: „Der Mai, zum Wonnemonat erkoren, hat den Reif noch hinter den Ohren.“ Wie wahr. Seit Jahrhunderten gelten die Tage vom 11. bis zum 15. Mai 2023 als eine Periode, in der der Winter noch einmal zurückschlägt – mit Temperatur­stürzen, eisigen Winden und in der Folge auch Bodenfrost.

MamertusPankratiusServatiusBoni­fatius und Sophie heißen die Tage nach jenen Schutzheiligen, deren Namenstage in dieser Zeit begangen werden. Sie waren wundertätige Bischöfe und Märtyrer des frühen Christentums. Mit den ihnen zugeschriebenen Wettereigenschaften hatten sie aber gar nichts zu tun, obwohl ihr religiöses Wirken im Vergleich zum nachgesagten meteorologischen später immer mehr in den Hintergrund trat.

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Eisheilige, Mamertus, Garten, Servus
Foto: Mauritius Images
Bildnis des Eisheiligen Mamertus

Mamertus, 11. Mai
Er gilt nur in Norddeutschland als erster Eisheiliger, lebte im 5. Jahrhundert n. Chr. und war Erz­bischof von Vienne. Er führte die Bittprozession vor Himmelfahrt ein und soll durch Beten einem furchtbaren Feuer Einhalt geboten haben.

Servus Mondpost
Eisheilige, Servatius, Garten, Servus
Foto: Mauritius Images
Bildnis des Eisheiligen Servatius.

Pankratius, 12. Mai
Er war ein Märtyrer und der Legende nach der verwaiste Sohn eines reichen Römers. Er half verfolgten Christen und wurde 304 n. Chr. im Alter von nur 14 Jahren von Kaiser Diokletian enthauptet und den Hun­den zum Fraß vorgeworfen.

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Servus, Garten, Pankratius, Eisheilige
Foto: Mauritius Images
Bildnis des Eisheiligen Pankratius.

Servatius, 13. Mai
Er wurde im Mittelalter aus zwei Gestalten zu einer Figur vermischt: dem ersten Bischof von Tongeren (Bel­gien) und einem Servatius aus Gallien, Gegner des Arianismus, beide aus dem 4. Jahrhundert. Er soll mit einem Holzschuh erschlagen worden sein.

Servus, Eisheilige, Bonifatius, Garten
Foto: Mauritius Images
Bildnis des Eisheiligen Bonifatius.

Bonifatius, 14. Mai
Er war in seiner Jugend kein Christ und lebte in Sünde mit einer reichen Römerin, ließ sich in Tarsus in Kilikien (heute Türkei) zum Christentum bekehren und taufen. Um 306 n. Chr. wurde er durch siedendes Pech getötet.

Servus, Garten, Eisheilige, Sophie
Foto: Mauritius Images
Bildnis der Eisheiligen Sophie.

Sophie, 15. Mai
Lebte in Rom und starb 304 n. Chr. unter Kaiser Diokletian den Märtyrer­tod. Ihre Attribute sind Palme, Buch, Trog und Schwert. Vermutlich ist sie ident mit Sophia von Minden, die in Ostwestfalen verehrt wird (Gedenk­tag: 3. September).

Die Regeln der Bauern

Dut­zende Bauernregeln sind um sie herum ent­standen. Mit allerlei Maßnahmen versuchten die Menschen, an den Eisheiligen­-Tagen drohende Frostschäden zu verhindern. So entzündeten etwa Obst-­ und Weinbauern beim „Reifheizen“ feuchtes Laub und Holz, um mit dem dadurch entstehenden Rauch bereits blühende Nutzpflanzen vor dem Erfrieren zu schützen.

Wer sein Schaf schert vor Servaz, dem ist die Wolle lieber als das Schaf.
Bauernregel

Bis heute gelten die Eisheiligen auch in anderen Bereichen als StichtageAlmauf­triebe finden häufig erst nach dem 15. Mai statt; Igelstationen raten, die stacheligen Schützlinge erst nach der Kalten Sophie in die Freiheit zu entlassen; Schafe sollen ebenfalls nicht vorher von ihrer Wolle be­freit werden.

Die goldenen Gärtnerweisheiten

Und die Liste jener Pflanzen, bei denen man lieber auf Nummer sicher geht, ist für viele Gärtner – ob professionell oder nur des Hobbys wegen – immer noch in Stein gemeißelt: Vor allem GurkenTomatenBohnen und empfindliche Kräuter wie Ba­silikum dürfen demnach erst nach den Eisheiligen keimen oder ungeschützt ins Frei­land übersiedeln.

Pankratius hält den Nacken steif, sein Harnisch klirrt vor Frost und Eis.
Bauernregel

Wetterregeln

Aber ist das wirklich alles nötig? Der Fra­ge, wie weit die Eisheiligen eine Kopfgeburt des Aberglaubens oder das Ergebnis akribi­scher Aufzeichnungen über lange Zeiten hinweg sind, widmet sich seit Jahrzehnten die moderne Wetterforschung.

Alexander Orlik ist Meteorologe und dafür zuständig, alljährlich im Frühjahr im Alpenraum den Verlauf der Eisheiligen zu prognostizieren; schließlich warten aber­tausende von Hobbygärtnern, Landwirten, Winzern oder Almbewirtschaftern auf zu­verlässige Daten.

Bauernregeln sind kein Blödsinn“, sagt Alexander Orlik zunächst ganz allgemein, „es sind volkstümliche Orientierungshilfen, die in Jahrhunderten von Beobachtung und Erfahrung entstanden sind.“ Und dann fügt er hinzu: „Was wir als Eisheilige kennen, ist eine meteorologische Singularität, die aufgrund bestimmter Konstellationen häu­fig entstehen kann, aber nicht muss.“

Pankrazi, Servazi und Bonifazi sind drei frostige Bazi, und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie.
Bauernregel

Wenn im Mai die Sonne schon hoch steht, erwärmen sich die Kontinentalmassen rascher als die Meeresoberfläche des Nord­atlantiks. So entstehen durch den unter­schiedlichen Luftdruck an den Grenzen der beiden Luftmassen im Bereich Russland, Skandinavien und Island Tiefdruckgebiete mit starken Windgeschwindigkeiten, die ein­ander beeinflussen.

Zumal ein Hoch sich im, ein Tief sich aber gegen den Uhrzeigersinn dreht, wird kühle Luft in den mittel- und südeuropäischen Raum geschaufelt. Das erklärt auch, war­um zum Beispiel in Norddeutschland am 11. Mai Mamertus als Eisheiliger gilt, in Bayern, in der Schweiz und in Öster­reich aber nicht. Dort wird wiederum – im Gegensatz zum Norden – der 15. Mai, So­phies großer Tag, zu den mystischen Kälte­bringern gezählt.

Des Rätsels Lösung: Die kalte Luft braucht einfach eine gewisse Zeit, um den Kontinent von Norden nach Süden zu durchströmen und kommt im Alpenraum etwas später an.

Papst Gregor nahm zehn Tage weg 

Zahlreiche andere Faktoren sind dabei noch mitentscheidend. Zieht man diese in Erwägung, lässt sich der folkloristisch entstandene Termin 11. bis 15. Mai eigentlich nicht mehr halten.

Der Grund: 1582 verordnete Papst Gre­gor XIII. die gregorianische Kalenderreform, um Abweichungen des Sonnenjahres vom ju­lianischen Kalender zu korrigieren. Er nahm dem Jahr 1582 einfach zehn Tage weg; die Wetterregeln zu den Eisheiligen, die damals schon kursierten, blieben aber unverändert.

So finden die Kälteeinbrü­che häufig erst elf bis zwölf Tage spä­ter, also etwa vom 23. bis zum 27. Mai, statt.

Mikroklimatische Unterschiede 

Doch was für die Niederbayern stimmen mag, muss für Ostösterreich noch lange nicht zutreffen. Oft sind nämlich schon mikroklimatische Unterschiede zwischen nahegelegenen Tä­lern und Ebenen ausschlaggebend dafür, ob das auftritt, wofür die Eisheiligen seit jeher gefürchtet werden: der Bodenfrost.

Kessellagen mit wenig Wind sind im Mai bei klarem Wetter noch am ehesten gefährdet. Das hat damit zu tun, dass die Luft vom Boden her auskühlt und Wind den Abkühlungsprozess durch raschen Austausch von Luftmassen behindert.

Balkonpflanzen haben es leichter 

Zunehmende Wetterextreme stiften in jüngerer Zeit Verwirrung um die Zuverlässigkeit des Phänomens. Immer öfter kümmern sich die Tage der kältebrin­genden Märtyrer keinen Deut um ihren angestammten Platz im Kalender.

Die Temperaturstürze vollziehen sich vor oder nach der Monatsmitte. Treten sie früher auf, ist das auch mit der noch schwächeren Kraft der Sonne und den letz­ten Nachwehen der kalten Jahreszeiten zu erklären.

Wird es gegen Ende des Monats frostig, mögen – neben der gregorianischen Kalen­derreform – auch Klimaveränderungen eine Rolle spielen. Die Temperaturkurven weisen um den 20. Mai im Schnitt deutlicher nach unten als um den 12. Mai.

Doch auch wenn die große Kälte tat­sächlich noch einmal hereinbricht, hat so manche Pflanze nicht um ihre Existenz zu fürchten. Bodenfröste werden nämlich zumeist fünf Zentimeter über dem Boden gemessen. Das bedeutet, dass Balkonpflanzen im ersten Stock oder Obstblüten in höheren Baumregionen etwas weniger gefährdet sind als frisch keimendes Saatgut unten im Garten.

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