Holz, Handwerk, Harmonika
Foto: Philip Platzer

Herman Jamnik, der Harmonikabauer

Am äußersten Zipfel der Steiermark, einen Steinwurf entfernt von der slowenischen Grenze, baut Hermann Jamnik steirische Harmonikas. In Handarbeit, frei von modischem Firlefanz und mit einer Perfektion, die ihm so schnell keiner nachmacht.
Text: Silvia Pfaffenberger, Fotos: Philipp Platzer

Text: Silvia Pfaffenwimmer Fotos: Philip Platzer

Die Steirische ist keine Diva. Eher eine, die sich schnell Freunde macht mit ihrem schmeichlerischen adretten, knöpferlbesetzten Kleid. Auch Hermann Jamnik hat sie den Kopf verdreht, damals, als er noch ein Bub war. Heute sichert sie ihm den Lebensunterhalt. 

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„Meine erste Harmonika bekam ich zu Weihnachten mit zwölf. Damals hab ich kreuz und quer und meistens auch recht falsch dahingewerkelt“, erinnert sich der heute 59-Jährige. Noch unter dem Christbaum zerlegte er das Instrument, um dessen Innenleben zu erkunden. „Meine Mama hat sich nicht gefreut. Doch ich konnte alles wieder zusammen- bauen“, so Jamnik.

Der Weg zum Instrumentenbauer war also vorgezeichnet, wenn auch nicht geradlinig. Nach einer Ausbildung zum Weinbauern und Jahren als Handelsvertreter und Musikalienhändler machte sich Jamnik Mitte der 80er als Harmonikabauer selbständig. Unerfahren und ohne große Fachkenntnisse, wie er sagt. Heute gehört der Steirer mit slowenischen Wurzeln zu den Besten seiner Zunft.

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Der Kaiser und die Mühlviertler

„Das hier ist die Kanzelle. Darauf kommen die Stimmstöcke mit den Stimmplatten und Stimmzungen. Drücke ich einen Knopf auf der Harmonika, öffnet sich die entsprechende Klappe. Luft strömt in die Kanzelle, bewegt die Stimmzunge, und es entsteht ein Ton“, versucht Hermann Jamnik dem Laien das Innenleben des Instruments näherzubringen. 

Rein äußerlich besteht eine steirische Knopfharmonika aus drei Teilen: dem Diskant- oder Melodieteil, dem Bassteil und dem Balg, der die beiden verbindet. Die Steirische ist ein wechseltöniges Instrument: Je nachdem, ob man zieht oder drückt, entstehen unterschiedliche Töne. Bei Bedarf ersetzt sie schon einmal ein kleines Orchester. 

Und damit sie nicht nur schön klingt, sondern auch schön anzuschauen ist, sind Fingerspitzengefühl, Geduld und ein Auge fürs Material gefragt. Unterstützt wird der Harmonikabauer von seiner Frau Anna Maria, seinem Cousin Dusan und seinem Neffen Karl. 50 bis 60 Harmonikas verlassen jährlich die Werkstatt in der idyllischen Weinbaugemeinde Sulztal. Bis zu einem Jahr warten Kunden auf eine Jamnik- Harmonika. Doch fällt das angesichts der Lebensdauer nicht so ins Gewicht: Bei guter Pflege kann eine Steirische gut und gerne 100 Jahre alt werden. 

Nicht nur Österreicher und Bayern schwärmen für die Knopfharmonika: Auch auf den Philippinen, in Südafrika oder in Neuseeland hat der Harmonikabauer Kunden. Ein Herr aus Osaka holte sich seine Steirische im eigens dafür angeschafften Trachtenanzug bei Hermann Jamnik ab. 

Bei uns sind es vor allem die Oberösterreicher, die auf Jamnik-Qualität setzen: „Das Mühlviertel ist geradezu Jamnik-verseucht“, schmunzelt der Meister. Die Kundschaft zieht sich quer durch alle sozialen und sonstigen Schichten: Ärzte und Bäcker, Lehrer und Rechtsanwälte und auch sportliche Kapazunder wie Fußballkaiser Franz Beckenbauer finden sich in Jamniks Kundenkartei.

„In den letzten 30 Jahren hat die Steirische einen enormen Aufschwung erlebt“, erzählt Jamnik, während einer seiner beiden Gehilfen das hölzerne Gehäuse der Harmonika kunstvoll ausfräst. 

Entstehung einer Jamnik-Harmonika

Das Holz macht die Musik

Geschuldet ist die Harmonika-Renaissance ebenfalls einem Steirer: Der Köflacher Musikschullehrer Max Rosenzopf entwickelte Mitte der 70er-Jahre die „Griffschrift“, eine eigene Notenschrift, die das Spiel auf der Steirischen wesentlich vereinfachte. Fleißige Musikschüler holten die Knopfharmonika aus dem Schmuddeleck, galt die „Ziach“ doch lange als Instrument der Wirtshaussitzer und Angeheiterten. Heute ist das Harmonikaspiel sogar ein Lehrfach am Mozarteum.

Mit volkstümlicher Humtata-Musik hat Hermann Jamnik, der selbst Harmonika-Seminare hält, wenig Freude. „Wir bauen Instrumente für Leute, die authentische Volksmusik machen und ein bodenständiges Empfinden haben.“ 

Diese Einstellung manifestiert sich auch an der Optik. Jamnik-Harmonikas sind frei von modischem Firlefanz: Teil für Teil aus Massivholz gefertigt, die Oberfläche mit Bienenwachs veredelt und mit Kerbschnitzerei, Bauernmalerei und Kreuz- oder Federkielstickerei verziert. Doch unabhängig vom Aussehen geht es dem Harmonikabauer vor allem um eines: „Unsere Harmonika muss man am Klang erkennen.“ 

Hermann Jamnik ist überzeugt: Das Holz macht die Musik. Mehr als 100 Holzarten stapeln sich in seinem Lagerraum. Verarbeitet wird alles – von Eukalyptus über Olive und Zitrone bis zur Fichte und zum heimischen Apfelbaum. „Jedes Holz hat eine eigene Schwingung. Wenn diese dann auch noch mit der des Musikanten übereinstimmt, ist es perfekt.“ 

Holz, Harmonika, Jamnik
Foto: Philipp Platzer

Nur in der Früh wird gestimmt

In seinem weitläufigen Garten hat er einen keltischen Baumkreis angelegt, der jedem Geburtsdatum einen bestimmten Baum zuordnet. Und jedem, der es wünscht, baut der Meister seine ganz persönliche Lebens- baum-Harmonika.

Langsam schließt sich auch in der Werkstatt der Kreis zur fertigen Harmonika. Bass- und Diskantteil – vereinfacht gesagt zwei Holzkästen – sind fertig, jetzt kommt der Balg an die Reihe. Dieser für die Harmonika so typische Zickzack-Teil ist aus Karton und wird händisch mit feinstem Elefantenpapier bezogen. Auf die Ecken kommen Kappen aus Metall, die Kanten werden mit Leder oder Bordürenband eingefasst. 

Sind die Vorarbeiten geleistet, schlägt die Stunde des Meisters: Hermann Jamnik ist zuständig für den Einbau der Bass- und Diskantmechanik und fürs Stimmen des Instruments. Letzteres kann bis zu sechs Stunden in Anspruch nehmen. „Das mach ich am liebsten in der Früh. Da bin ich ausgeschlafen, und das Gehör ist besser.“ Wie die fertige Harmonika dann wirklich klingt, ist auch für den erfahrenen Instrumentenbauer nicht vorhersehbar: „Da muss ich mich überraschen lassen. Jedes Holz hat da seine Eigenheiten.“

In der Stube, die zugleich Teil der Werkstatt ist, warten die Instrumente darauf, abgeholt zu werden. Bis zu 180 Stunden Arbeit stecken in einer Steirischen. Der Trennungsschmerz hält sich dennoch in Grenzen: „Jeder von uns gibt sein ganzes Herzblut hinein. Aber ich kann trotzdem nicht jeder Harmonika nachweinen, immerhin muss ich fünf Kinder ernähren“, sieht es der Instrumentenbauer pragmatisch.

Während er die Harmonika stimmt, wandert sein Blick aus dem Fenster, über die hügelige Weinlandschaft mit ihren geduckten Häusern und gewundenen Straßen, hinüber ins Slowenische. Unter den geübten Händen des Harmonikabauers entfährt der Steirischen ein entspannter Seufzer. Einen schöneren Geburtsort hätte sie sich nicht wünschen können. 

Harmonikabau Jamnik
8461 Ehrenhausen, Sulztal 57
Telefon: 03453/4131-0
www.jamnik-harmonikabau.at

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