Nachspeise

Omas Schneeballen

„Bitte keine Torte“ rief Dorli Muhr, wenn es Februar wurde. Zum Geburtstag bettelte sie alljährlich um Schneeballen. Dafür ließ sie auch jede Torte stehen.

Schneeballen, Staubzucker, Tischdecke
Foto: Ingo Eisenhut
Knusprige Teigbändchen mit feinem Staubzucker, eine Sünde, die jeden Bissen wert ist.  

Meine Mutter, mittlerweile siebenfache Urgroßmutter, holte also seufzend ihren weißen Schurz aus feiner Baumwolle aus dem Schrank, band sich mit einem Tuch die Haare aus dem Gesicht, stemmte das schwere Nudelbrett auf die Arbeitsplatte und kramte die metallenen Schneeballenformen hervor.

Während ich in der Schule saß, rührte und knetete sie mit aller Kraft. Anschließend walkte sie den Teig messerrückendick aus, schnitt Flecken aus und radelte Schlitze hinein. Dann holte sie den großen Schmalztopf aus weißer Keramik aus der Speisekammer, stach fast den ganzen Inhalt in einen hohen Topf und brachte das Schmalz zum Schmelzen, um die Ballen rauszubacken.

Wenn ich zu Mittag heimkam, standen alle Türen offen, und mein Vater schimpfte, denn er hasst Zugluft. (Sie erinnern sich vielleicht daran, dass ich meinen Sauerteig „Franz“ nenne?) Ich aber strahlte, denn mein größter Geburtstagswunsch war in Erfüllung gegangen. Schnell und ohne Murren aß ich die obligate Suppe, denn ohne Suppe kein Nachtisch.

Und dann kam der himmlische Moment, als ich die knusprigen, zuckerbestreuten Teigbändchen vom ersten Schneeballen abbrach und sie mit geschlossenen Augen auf meiner Zunge schmelzen ließ. Dieser Moment der Verklärung hat sich so tief in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich mich unlängst selbst ans Werk machte.

Schneeballen: das (un)dankbare Geburtstagsgeschenk

Die Notiz im handgeschriebenen Rezeptheft meiner Mutter ist nur drei Zeilen lang und klingt simpel: „9 dkg Mehl, 3 Dotter, 3 Esslöffel Rahm, 3 Kaffeelöffel Rum, etwas Salz.“

  • Die Herausforderung ist, drei Dotter in nur 90 Gramm Mehl unterzubringen.

  • „Kneten, bis er Blasen schlägt.“ Das dauert.

  • Aber irgendwann vollzieht sich dieses physikalische Wunder, und aus der dickflüssigen Masse wird ein weicher, seidig glatter Nudelteig.

  • Die geschlitzten Teigblätter legt man ein bissl vermankelt in die Form und taucht sie ins heiße Schmalz. Man muss wirklich alles griffbereit haben, bevor man mit dem Rausbacken beginnt, denn dann geht’s ratzfatz.

  • Ich zählte bis zehn, maximal bis zwölf, und schwupps wieder raus, kurz abtropfen lassen, Form öffnen, Schneeballen raus, nächstes Teigblatt rein, schließen, ins heiße Fett, bis zehn zählen ... Wichtig ist jetzt der feine Staubzucker, den man drüberstreut – und dass die Gäste auch schon da sind.

Denn niemals schmecken Schneeballen besser, als wenn sie grad frisch rausgebacken wurden. So wie damals, als ich von der Schule heimkam. Nach meinem Selbstversuch ist meine Dankbarkeit für das Geburtstagsgeschenk noch viel größer als damals.

Ich verstehe jetzt das Seufzen meiner Mutter und weiß, dass Schneeballen wirklich der ultimative Luxus sind: Man braucht eigene Formen, viel Zeit, ordentlich Übung im Kneten, pünktliche Gäste – und dann drei Tage, um die Wohnung zu lüften.

Zum Autor: Dorli Muhr, unsere Kolumnistin für Geschmacksfragen aller Art, ist selbst eine fabelhafte Köchin. Dass die guten Dinge oft die einfachen sind, hat sie schon als Kind daheim gelernt.

Dieses Rezept erschien in Servus in Stadt & Land im Februar 2021 in der Rubrik „Aus Omas Kochbuch“.

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MengeZubereitungszeitGesamtzeit
8 Stück35 Minuten45 Minuten
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Zutaten
90 gglattes Weizenmehl
3Dotter
3 ELRahm
3 TLRum
1 PriseSalz
Außerdem
Schneeballenform (wenn vorhanden; zur Not geht’s auch ohne)
Butter- oder Schweineschmalz zum Backen
Staubzucker zum Bestreuen
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Zubereitung
  1. Die Zutaten in eine Schüssel geben und geduldig schlagen und kneten, bis ein seidig glatter Nudelteig entsteht.

  2. Teig zu einer 2–3 mm dünnen rechteckigen Fläche ausrollen.

  3. Den Teig mit einem gewellten Teigradl zu Flecken von ca. 12 × 10 cm ausradeln.

  4. In die Teigflecken ca. 5 mm breite Streifen radeln, dabei rundum einen ungefähr 5 mm breiten Rand belassen.

  5. Schmalz in einem hohen, schmalen Topf auf ca. 180 Grad erhitzen.

  6. Die Flecken zu einem vermankelten Knäuel in die Schneeballenform legen und die Gitterhalbkugeln schließen.

  7. Die Teigballen nach und nach in der Form ins heiße Fett tauchen und in ca. 12 Sekunden goldbraun backen. Gut abtropfen lassen und aus der Form lösen. Schneeballen noch warm mit Staubzucker bestreuen und sofort genießen.

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