Mundart, Brauchtum, Wald, Sprichwörter
Foto: Andreas Posselt

Sprichwörter aus dem Wald

Der springende Punkt, der Purzelbaum und viele andere wohlvertraute Schätze unserer Sprache haben ihre Wurzeln im Wald. Und weil man bei der Deutung dieser Begriffe mitunter auf den Holzweg kommt, wollen wir damit nicht länger hinterm Busch halten.
Text: Julia Kospach, Fotos: Andreas Posselt

Mitunter grünt es ganz kräftig in der Sprache: Wenn man jemandem nicht grün ist, dann ist man ihm nicht gewogen. Letzteres – gewogen nämlich – hat sich über „angenehm, günstig“ und „grün“ als Farbe des Frühlings und der Hoffnung entwickelt.

Deshalb wird man ja auch aufgefordert, sich an jemandes grüne Seite zu setzen, welche stets die ist, an der hoffnungsvoller Frohsinn herrscht.

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Ist man jemandem nicht grün, kommt man mit ihm natürlich auch auf keinen grünen Zweig. Auch in diesem Sprachbild spukt der Wald herum: Der frische, grüne Zweig ist seit jeher das Sinnbild für Gedeihen und Gelingen. Auf keinen grünen Zweig kommt also, wem nichts gelingt. Es ist eine Redensart, die schon seit Ende des 15. Jahrhunderts gebräuchlich ist.

Ist einer noch grün hinter den Ohren, dann ist er zwar frisch und jung und trägt Potenzial in sich, aber gleich einem grünen Trieb ist er neu auf der Welt und noch ohne Erfahrung. Auf diese Weise kamen die ersten Siedler Amerikas zur Bezeichnung Greenhorns, die sich im Englischen für jede Art von unerfahrenen Menschen einbürgerte.

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Mitunter vermutet man die Natur in einer Redewendung und stellt erstaunt fest, dass da nichts ist als Technik: Die Redensart alles im grünen Bereich bezieht sich auf die Anzeigenfelder von Kontrollautomaten, die mit roten Feldern den Gefahrenbereich, mit grünen den Normalbereich markieren.

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Überraschende Sprüche, die aus dem Wald kommen

Es gibt allerdings auch den umgekehrten Fall: dass sich nämlich der Wald und seine Bewohner in Wörtern und Wendungen verstecken, in denen man sie nicht vermuten würde.

  • Der springende Punkt, der das Ausschlaggebende einer Situation meint, geht auf eine Naturbeobachtung von Aristoteles zurück, der glaubte, dass in einem bebrüteten Vogelei das Herz als ein sich bewegender, springender Fleck – lateinisch: punctum saliens – zu erkennen sei. Das wurde umgedeutet auf den „Punkt, von dem das Leben ausgeht“, von dem also alles abhängt.

  • Gut verborgen ist der Naturbezug auch in hanebüchen, was so viel heißt wie ungehobelt oder derb. Es stammt vom mittelhochdeutschen „hagenbüechin“, das „aus Hagenbuchenholz bestehend“ bedeutet. Das Holz der Hagebuche, die meist Hainbuche heißt und zur Familie der Birkengewächse gehört, gilt als besonders grob und knorrig.

Sprichwörter Wald Sprache Sprüche
Foto: Andreas Posselt
Die Sprache des Waldes.
Klopft man auf den Busch, so ist man mitten im Jägermilieu, dem unser Sprachschatz viel verdankt.

Hier ist ganz klar der Wald Spruch-Ursprung

  • Befindet man sich auf dem Holzweg, dann ist man im Irrtum, und das deswegen, weil ein Holzweg ein Waldweg war, der dem Abtransport von geschlägertem Holz diente, aber nicht unbedingt zur nächsten Siedlung führte.

  • Wenn man hingegen etwas auf dem Kerbholz hat, hat man sich etwas zuschulden kommen lassen, was vom bis ins 18. Jahrhundert im Handel gebräuchlichen Kerbholz kommt, auf dem Lieferungen, Leistungen und eben auch Schulden abgerechnet wurden – und zwar durch Einkerbung in einen hölzernen Stab.

  • In dieselbe Kerbe schlagen, sprich die gleiche Meinung vertreten, bezieht sich hingegen aufs händische Fällen von Bäumen: Am schnellsten fallen diese, wenn die Holzfäller immer wieder in dieselbe Kerbe hacken.

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  • Hält man mit etwas hinter dem Busch, so hält man sich mit einer Äußerung zurück und verbirgt sie. Ebenso hielten sich – und daher kommt die Redensart – früher im Buschwerk Wegelagerer versteckt.

  • Klopft man auf den Busch und versucht so, etwas zu erfahren, so ist man mitten im Jägermilieu, dem unser Sprachschatz viel verdankt: Man schlägt aufs Gebüsch, um ein Tier aufzuscheuchen.

  • Manchmal geht es dem Jäger durch die Lappen. Denn bei der Treibjagd spannte man Schnüre mit bunten Stofffetzen, um das Wild einzukreisen und ihm bestimmte Fluchtwege zu versperren.

Und dann sind da noch Eichhörnchen, Purzelbaum und Spaltpilz, die etymologisch etwas ganz anderes sind, als sie zu sein scheinen:

  • Der Spaltpilz als Störenfried ist trotz seiner Sprengkraft keine Wortschöpfung der Atomphysiker, sondern eine veraltete Bezeichnung für ein Bakterium, das sich durch Teilung fortpflanzt oder – laut einer Deutung von Karl Kraus – eine Stilblüte, die darauf basiert, dass „Spaltpilze zum Spalten des Holzes verwendet“ wurden.

  • Das Eichhörnchen wiederum hat rein gar nichts mit Eichen zu tun, sondern mit der indogermanischen Wortwurzel „aig“, die „sich heftig bewegen“ bedeutet.

  • Und der Purzelbaum steht dem Bären näher als dem Baum: „Purzel“ hat sich aus dem spätmittelhochdeutschen „burzeln“ für „hinfallen“ entwickelt, das „baum“ kommt von „aufbäumen“ im Sinn von „aufrichten“ und wurde wohl ursprünglich von Jägern über Bären gesagt, die sich an Bäumen auf- richten. Ein Purzelbaum beschreibt also sehr präzise einen „Hinfaller-Aufrichter“.

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