Zu Besuch in einem Wiener Stadtgarten
Gezielte Verwilderung streben Paula und Karl Kröpfl in ihrem Wiener Stadtgarten an. Eine gute Idee, denn so harmonisch wie die Natur gestaltet kein Gärtner.
Eine ruhige Gasse im Wiener Grünbezirk Hietzing. Romantische Biedermeiervillen, Gründerzeihäuser und eine Siedlung der Wiener Moderne unterhalb eines unerwarteten Wäldchens. Bei einem der Stiegenaufgänge fällt sogleich die üppig blühende Gestaltung auf. Die Vorgartenwiese ist voll von Primeln, eine Sternmagnolie öffnet ihre prächtigen Blüten, zu ihren Füßen blühen Hyazinthen und Wildtulpen.
Einem geschwungenen Band gleich liegen die eher unscheinbaren Siedlungshäuser an der versteckten Straße am Fuße des Küniglberges; ein Weg führt durch lichte Buchenwälder.
Doch nur wenige der Spaziergänger, die hier vorbeikommen, kennen die Geschichte der sogenannten Malfattisiedlung. Auf dem Areal, einst das Umfeld großbürgerlicher Villen, baute der Architekt Siegfried C. Drach in den 1930erJahren eine Siedlungsanlage aus fünfzehn Häusern, deren Wohneinheiten entweder mit Garten oder Terrasse ausgestattet wurden. Das gesamte Ensemble steht heute unter Denkmalschutz.
Paradies mit heimischen Blumen
Paula und Karl Kröpfl stießen in einem Zeitungsinserat auf ihr kleines Paradies. „Wir konnten uns das Leben ohne Garten gar nicht vorstellen, und die Kombination von klassisch moderner Architektur mitten im Grünen erschien uns als reiner Glücksfall“, erzählt Paula. Im Lauf der Jahre verwandelten die beiden leidenschaftlichen Gärtner das Stück Stadtland mit wenigen behutsamen Eingriffen in ein natürlich anmutendes Gartenreich.
Hier darf so ziemlich alles wachsen, wie es will, wodurch der ganze Garten besonders harmonisch wirkt. Nur im oberen Teil, wo schon heimische Blumen wie Lerchensporn, Leberblümchen, Schlüsselblumen und Blausternchen wuchsen, pflanzten sie Anemonen, Veilchen und Wildtulpen dazu.
So entstand eine frühlingshafte Blumenwiese, die aussieht, als wäre sie immer schon da gewesen.
Ursprünglich stand auf dem Areal eine herrschaftliche Villa in einem riesigen Park. Von damals stammt auch der alte Baumbestand mit Buchen und Föhren. Der Kröpfl-Garten selbst hat eine Größe von über 1.000 m2. Als Wächterin über den Garten fungiert die alte Tulpen-Magnolie (Magnolia × soulangeana), die schon für die Vorbesitzer blühte. Paula muss immer noch über die Anekdote lachen, die diese ihr erzählten: Eines Frühlings pflückte nämlich deren kleiner Sohn sämtliche Blüten des damals noch kleineren Baumes, um sie seiner Mama zu bringen. Somit war in diesem einen Jahr der Blütenzauber rasch wieder vorbei.
„Die gezielte Verwilderung ist eine Kunst“, erklären Paula und Karl ihr Gartenkonzept. „Wir lernen hier täglich dazu, wie das am besten geht.“ Statt einer pflegebedürftigen Rasenfläche wurde eine Blumenwiese angelegt. Das erspart erstens regelmäßiges Mähen, und als Ergebnis präsentiert sich ein andauerndes Blütenmeer vom Frühling bis in den Herbst. Jetzt im Frühling erfreuen vor allem Wildtulpen, Hundszahn, Veilchen und Schachbrettblumen das Gärtnerauge.