Brauchtum

Der Galtürer Enzner: Über den Enzianschnaps mit Tradition

In Galtür wächst seit 2017 der Gelbe Enzian als größte alpine Kulturpflanze. Aus seinen Wurzeln wird der traditionelle Enzner gebrannt – Blüten und Blätter veredeln natürliche Hautpflege mit wertvollen Bitterstoffen.

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Foto: Tourismusverband Paznaun - Ischgl
Gelber Enzian wird in Galtür bereits seit dem 16. Jahrhundert als Heilpflanze verwendet.

Der Enzner – ein Stück Galtürer Geschichte

In Galtür blickt der Enzianbrand auf eine lange, stille Tradition zurück. Über Generationen hinweg wurde die kräftige Wurzel des Gelben Enzians in kleinen Mengen von Hand gegraben, mazeriert und gebrannt – ein bitterer Tropfen, der gerne nach dem Essen gereicht wurde.

Der Enzner, wie er hier genannt wird, war stets mehr Hausmittel als Hochprozentiger, tief verwurzelt im bäuerlichen Alltag und in der alpinen Pflanzenwelt. Im November 2013 wurde das Wissen um die Standorte, das Ernten und das Verarbeiten des Enzians in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen.

Einen Enzner bekommt man nicht geschenkt, man muss ihn sich hart verdienen.
Das ist den Einheimischen klar.
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Foto: Christian Forcher, fotoforcher.at
Der Gelbe Enzian liefert die bitterste Substanz der Welt.

Heimat des punktierten Enzians

Doch was macht den Galtürer Enzner so besonders?

  • Galtür ist eine der wenigen Regionen Österreichs, in denen neben dem Gelben Enzian (Gentiana lutea), welcher im Kalkgebirge beheimatet ist, auch der punktierte Enzian (Gentiana punctata) wächst. Die seltene Wildpflanze gedeiht nur im kristallinen Hochgebirge und liebt Höhenlagen zwischen 1800 und 2600 Metern.

  • Gelber Enzian entwickelt sich aus kleinen, kohlkopfähnlichen Blattbüscheln und kann bis zu 60 Jahren alt und einen Meter hoch werden.

  • Erst ab dem fünften Jahr bildet er Blüten aus und seine Wurzeln können zu einem erdig-aromatischen Schnaps verarbeitet werden.

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Foto: TVB Paznaun – Ischgl
Im Galtürer Raum wächst der wilde, punktierte Enzian auf einer Höhe von 1.800 bis 2.600 Metern.

Ein Kraut mit Charakter

Der Gelbe Enzian zählt zu den ältesten bekannten Heilpflanzen Europas – schon im Altertum wurde seine Wurzel geschätzt, vor allem wegen seiner wertvollen Bitterstoffe. Der darin enthaltene Stoff Amarogentin gilt als die bitterste natürliche Substanz überhaupt.

In Galtür genießt man den Enzner traditionell in kleinen Mengen – als aromatisch-erdiges Hausmittel. Auch äußerlich findet der Enzian zunehmend Verwendung: Auszüge aus Blättern und Blüten werden heute in der Hautpflege eingesetzt.

Enzianfeld, Galtür, Tirol
Foto: Tourismusverband Paznaun - Ischgl
Alexandra und Heidrun Walter mit Hermann Lorenz

Der Enzianbauer von Galtür

2017 wagte der passionierte Galtürer Schnapsbrenner Hermann Lorenz gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Tirol einen ungewöhnlichen Versuch: Gelber Enzian sollte nicht mehr nur wild gesammelt, sondern erstmals großflächig kultiviert werden. Auf einem Acker zwischen Galtür und Wirl setzte er 12.000 junge Pflanzen – und fand perfekte Bedingungen: nährstoffreiche Erde, kühle Höhenlage, stetiger Wind. Heute gedeiht auf über 5.000 Quadratmetern das größte kultivierte Enzianfeld im Alpenraum.

Aus der bitteren Wurzel ist ein Projekt gewachsen, das weit über den Schnaps – den bekannten Enzner – hinausreicht. Neben dem klassischen Enzner stehen in der im Dezember 2024 neu eröffneten Brennerei in Galtür auch feine Varianten wie Apfel-Enzian oder der besonders intensive Enzian Kramat im Regal. Wer ihn stilvoll genießen will, greift zum eigens entworfenen, mundgeblasenen Enzner-Glas – jedes Stück ein handgefertigtes Unikat aus der Glasfachschule Kramsach.

Der Enzner ist eine erdig-herbe Schnaps-Rarität, die am besten aus einem Enzner-Glas getrunken wird.

Vom Schnaps zur Pflege

Doch das Wissen um den Gelben Enzian endet in Galtür nicht bei der Wurzel. Die Blüten und Blätter der Pflanze, bei der Schnapsherstellung bislang ungenutztes Nebenprodukt, stehen seit 2021 ebenfalls im Mittelpunkt – diesmal in der Naturkosmetik. Unter dem Namen Enzian cultiviert entstand eine Pflegeserie, die die Bitterkraft der Pflanze sanft auf die Haut bringt. Hinter dem Projekt stehen die Schwestern Alexandra und Heidrun Walter – beide tief verwurzelt in Galtür.

Gemeinsam mit Experten aus Pharmazie, Agrarbiologie und Kosmetikbranche entwickelten sie über Monate hinweg Rezepturen, bei denen Qualität und Einfachheit im Mittelpunkt stehen. Blüten und Blätter werden im Sommer per Hand geerntet, schonend getrocknet und zu einem hochwertigen Extrakt verarbeitet – bislang einzigartig in dieser Form. Produziert wird direkt in Tirol, mit wenigen, klaren Inhaltsstoffen und einem möglichst hohen Anteil an Enzianextrakt.

Enzian cultiviert ist bitterstoffhaltige Hautpflege mit dem handgeernteten Extrakt aus dem Gelben Enzian aus Galtür.