Florian Stockinger liebt es auf Messers Schneide
Florian Stockinger ist der jüngste Messerschmied des Landes. In seiner Werkhalle im Weinviertel arbeitet er auch daran, der Beste zu werden. Können und Ehrgeiz sprechen sehr dafür.

„Du brauchst nur das Messer locker auf den Paradeiser legen und anziehen. Ohne Druck, nur ziehen, und schon hast einen glatten Schnitt und ein Scheiberl.“ Florian Stockinger hat eine Ecke auf dem als Schreibtisch deklarierten hölzernen Arbeitstisch freigeschaufelt, um uns das ideale Küchenmesser vorzuführen. Sehr plastisch, drastisch, und wir bedauern insgeheim, dass wir uns den Paradeiser leider nur dazudenken dürfen. Doch allein die Anmut und Lockerheit, mit der das Messer den Luftparadeiser durchschnitten hat, macht es zum Meisterstück.
Als Trost zeigt uns Florian Stockinger ein Video davon auf seinem Handy und schneidet ein Blatt Papier in Streifen. Was Besseres lässt sich auf die Schnelle in der riesigen Halle nicht finden. Und dass man mit der Klingenspitze ein Haar der Länge nach spalten kann, glauben wir ihm einfach so.
Wenn ich etwas mache, mache ich es besser.Florian Stockinger, Messerschmied
Florian Stockinger ist nämlich einer, den es ordentlich fuchst, wenn etwas nicht perfekt ist. Was Messer betrifft, zumindest. „Ich bin ein ehrgeiziger Typ, wenn ich etwas mache, mache ich es besser“, sagt er und blickt dabei ein bisschen frech und ein bisschen draufgängerisch drein.
Ein bisschen stolz natürlich auch, immerhin ist er erst 24 Jahre alt, trotzdem hat er sich als Messerschmied bereits einen Namen gemacht. Dafür braucht man auch noch eine Portion Zielstrebigkeit, mit der der Weinviertler durchaus ausgestattet ist.



Das erste Werk kam aus dem Griller
Ganze zehn Jahre alt war er, als er flugs den Griller des Vaters im Garten zur Esse umfunktionierte und darin sein erstes Messer schmiedete. Ein einziger Schweißfehler, sagt er, und dass er den Holzgriff mit Nähseide befestigte und überhaupt der Griff größer als die Klinge war. Nein, nein, herzeigen möchte er das Unding gar nicht, vielleicht später einmal unter einem Glassturz ausstellen, wie Dagobert Duck seinen ersten selbst verdienten Taler.
Dann, wenn er einmal ein paar Vitrinen mit ausgewählten Messern in irgendeiner Ecke hier eingerichtet hat. Dann, wenn er anschaulich vorführen kann, was seine Jagd- und Küchenmesser alles können. Ja dann – aber jetzt sind das alles noch Träume, jetzt wird erst einmal handfest geschmiedet, geschliffen und poliert.
Ab der Geschichte mit dem Griller jedenfalls wusste Florian Stockinger genau, dass er einmal Messerschmied werden möchte, und nichts und niemand hätte ihn davon abbringen können. Beim Messerschmieden lernst am meisten aus deinen Fehlern, sagt er. Deshalb pfiff er nach seinem Abschluss am Wiener TGM auf weitere Theorie an der Montan-Uni in Leoben und stürzte sich sofort in die Praxis.
Und weil ihm alles nicht schnell genug gehen konnte, machte er neben dem Zivildienst bei der Rettung gleich auch seine Meisterprüfung. „Meinen ersten Damaststahl habe ich mit 14 geschmiedet“, sagt Florian Stockinger, während er noch ein paar Kohlen in die Esse schaufelt und wir auf die richtige Temperatur warten. 2.000 Grad muss die Glut haben, und natürlich gibt es dafür kein Thermometer. Wie jeder gute Schmied kann er an der Farbe der glühenden Kohlen und der Größe des Feuers erkennen, wann es heiß genug ist.
Für Küchenmesser ist Damast am besten, sagt Florian Stockinger. Durch das Verschmelzen mehrerer Stahlschichten entstehen nicht nur Muster wie der verschlungene Wellendamast und der linienförmige Torsionsdamast, man kann auch die Qualität und damit die Klingenhärte steuern. Je gröber die Körner im Stahl, umso eher brechen sie dann aus der Schneide.
Bei bis zu 300 verschmiedeten Lagen sind die Körner so fein, dass sich von der Klinge nach 200 Jahren gerade einmal ein Drittel abgeschliffen hat, schätzt der Schmied.
Boehler TWR, sagt Florian Stockinger, nimmt er am liebsten. Dieser Stahl wird seit den 1970ern nicht mehr hergestellt, also sucht er sich zum Beispiel alte Kugellager oder Panzerrohre im Internet zusammen. Mehr will er über die Werkstoffe und Sonderlegierungen nicht verraten. Erstens zu fachchinesisch, zweitens ein Geheimnis.
Manches liegt sogar für ihn im Dunkeln, obwohl er sich mit Werkstoffwissenschaftlern zusammengetan hat.
Vor allem von der Pulverstahl-Forschung ist er fasziniert, die es erst seit 20 Jahren gibt. Es ist wie Zauberei, sagt er, wir sehen die Veränderungen im Stahl, wissen aber nicht, warum.
Ich habe sieben Jahre Schlagzeug gespielt. Ein Schmied hat den Rhythmus im Blut.Florian Stockinger, Messerschmied
Achtung! Laut!, brüllt Florian Stockinger jetzt, und wir stopfen uns schnell Ohropax in die Ohren, bevor er den Federhammer einschaltet. An die 100 Jahre ist das Monstrum alt, und es war eines seiner ersten Geräte.
Damals, als er als Messerschmied-Novize auf einem alten Gutshof eine kleine Schmiede einrichtete und die Endfertigung im Hinterhaus der Eltern erledigte. Vor drei Jahren fand er die stillgelegte Eisengießerei in Ernstbrunn. Mitten im Ort, sagt Florian Stockinger und strahlt übers ganze Gesicht, aber ich kann hämmern, wann ich will. Nur untertags klarerweise, und bei Feierlichkeiten oder Begräbnissen in der Kirche direkt vis-à-vis widmet er sich den leisen Arbeiten an seinen Messern.
Jetzt ist das Eisen heiß genug zum Draufhämmern, drei Minuten lang, dann ist es vorbei mit der Formbarkeit. Schmieden, sagt Florian Stockinger, ist das Größte. Körperlich anstrengend, volle Konzentration, und die Gedanken stehen still.
Jäger und Köche gaben die Ideen
Der Rest vom Messermachen hat viel mit Kopfarbeit, Tüftelei und ein bisschen mit Augenmaß zu tun. Viele Stunden ist Florian Stockinger mit Jägern und Köchen zusammengesessen, um die genauen Anforderungen an ein jeweiliges Modell zu sondieren. Ein Chefmesser in der Küche muss leicht sein, sagt er, und es braucht eine hochgezogene Spitze, damit man sowohl wiegend schneiden als auch hacken kann.
Das Klingenblatt muss breit und idealerweise 210 mm lang sein.
Für das Messerdesign hat er den europäischen und den japanischen Stil studiert, die sich gravierend unterscheiden. Sogar nach Japan ist er geflogen, um sich das mit eigenen Augen anzusehen. Ich habe die Vorteile von beiden fusioniert, sagt Florian Stockinger, und dass die Japaner bei der Klingengeometrie das Nonplusultra sind, bei Werkstoff und Griff kommen sie aber nicht an die Europäer heran.

Für jeden das richtige Messer
Seine Unikate passt Florian Stockinger seinen Kunden ergometrisch an. Dafür schaut er ihnen zunächst genau auf die Finger, wie sie das Messer halten, dann wird ein Handabdruck genommen und der Schwerpunkt errechnet. Es gibt nichts Schöneres, als in der Küche mit einem guten Messer zu arbeiten, sagt der Messerschmied, der selbst leidenschaftlicher Koch ist.
Neben ambitionierten Hobbyköchen stehen bereits die beiden niederösterreichischen Spitzenköche Adi Bittermann und Josef Floh mit seinen Lilienstahl-Messern in der Küche. Sie alle schauen einmal im Jahr bei ihm zum Schleifen vorbei, denn nichts ist schlimmer als eine vernudelte Klinge. Vor allem bei einem Damast-Unikat, das je nach Griff von 900 Euro aufwärts kostet und auf das man zwei Monate lang gewartet hat.
Eine Handvoll namhafter Messerschmiede dürfte es zurzeit in Österreich geben. Zu ihren Markenzeichen gehören jeweils auch die Griffe.
Wüsteneisenholz, sagt Florian Stockinger, hat er am liebsten. Das eisenharte Totholz aus der Wüste in Arizona hat eine grandiose Maserung, die beim Polieren auf seinen selbst gebauten Schleifmaschinen nach und nach zum Vorschein kommt.
Bei Holzgriffen ist neben der Härte auch die Dichte wichtig, damit sie keine Gerüche annehmen. Pappeln gehen daher gar nicht, sagt Florian Stockinger.
Wenn der Griff bearbeitet wird, steckt er übrigens schon an der Messer-Angel. Dabei ist die Klinge abgeklebt, allerdings weniger wegen der Angst des Messermachers, sich zu schneiden, sondern vielmehr aus Schutz, damit sie nicht zerkratzt wird.
Die Schnittprobe
Jungfräulich glänzend, sodass man sein Antlitz darin spiegeln könnte, wird das Messer aus der Schmiede entlassen. Allerdings nicht, bevor der Meister die Schärfe kontrolliert hat. Da schau her, sagt Florian Stockinger, krempelt die Ärmel hoch und hält uns beide Unterarme entgegen.
Auf dem rechten kräuseln sich mehr oder minder feine Härchen, wie beim normalen Mitteleuropäer. Der linke aber ist glatt rasiert wie der Unterschenkel von Cristiano Ronaldo. Meine hauseigene Schnittprobe, sagt Florian Stockinger, denn meistens kann er auf die Schnelle nichts Passendes finden.
Das könnte Sie auch interessieren:
15x nach Hause bekommen & nur 12x bezahlen
Wunsch-Startdatum wählen & kostenlos nach Hause liefern lassen
Mindestlaufzeit: 12 Ausgaben, Erscheinungsweise: 12x im Jahr
Jederzeit mit 4-wöchiger Frist zum Monatsende schriftlich kündbar (nach Mindestlaufzeit).