Mondfühlige Bäume: Wissenswertes über Mondholz
Alte Bauernregeln und fremde Kulturen berufen sich darauf: Bäume spüren den Mond. Und jenes Holz, das uns der Wald bei abnehmendem Mond schenkt, birgt Geheimnisse, die wir zumindest teilweise entschlüsseln können.
Eine Herbstnacht im Wald. Schaut man nach oben zum Firmament, sieht man das silbrige Mondlicht zwischen den Baumwipfeln scheinen. Hie und da hört man den Ruf oder den Flügelschlag einer Eule. Umherstreifende Füchse, Rehe und Wildschweine bringen von Zeit zu Zeit das Unterholz zum Knacken.
Doch die meisten Waldbewohner haben sich schlafen gelegt. Und die Bäume, die stillen Wächter des Waldes, legen ebenfalls eine wohlverdiente Ruhepause ein. Birken etwa senken ihre Blätter und Zweige nachts um bis zu zehn Zentimeter ab, sie „schlafen“ sozusagen im Stehen.
Doch nur weil etwas nach außen ruhig scheint, heißt das nicht, dass im Inneren nichts vor sich geht. Diese Weisheit gilt auch für Bäume. In ihren Wurzeln, ihren Stämmen, Ästen und Zweigen laufen Prozesse ab, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Jetzt im Herbst gehen zum Beispiel auch die letzten grünen Riesen in die Saftruhe über. Das heißt, Bäume reduzieren ihren steten Fluss von Wasser und Nährstoffen, um zu verhindern, dass Väterchen Frost zu viel Flüssigkeit gefrieren lässt und sie womöglich von innen heraus sprengt.
Und mit dieser Drosselung wird auch das regelmäßige Pulsieren der Stämme ein bisschen weniger. Bäume mögen wie unbewegliche Holzsäulen wirken, doch – wie die meisten Lebewesen und Pflanzen – sind auch sie fest eingebettet in die Zeitrhythmen der Natur, und die stehen in enger Verbindung mit dem Mond, diesem sagenhaften, knapp 400.000 Kilometer entfernten Himmelskörper.
Nimmt der Mond zu, werden die Stämme minimal dicker.
Nimmt er ab, werden sie schmaler.
Lange wollte man das Phänomen damit erklären, dass es wohl ähnlich wie bei den Gezeiten sein müsse: Bäume ziehen bei zunehmendem Mond Wasser an, dadurch quellen sie auf. Anschließend geben sie das Wasser wieder ab. Doch der Wasserhaushalt, das ergaben Messungen, bleibt in Summe stets gleich. Und dieses Pulsieren ist bisweilen noch monatelang nach dem Umschneiden eines Baumes im Gange, bis irgendwann seine Lebensbewegungen ausklingen. Ein Rätsel für Forscher. So rückte ein Phänomen in den Fokus, mit dem sich Menschen seit Jahrhunderten beschäftigen: das „Mondholz“.
Haltbar und widerstandfähig
Damit ist jenes Holz gemeint, das zum „richtigen“ Zeitpunkt im Naturkreislauf geerntet wird und dadurch besonders haltbar, stabil und vor allem auffällig widerstandsfähig gegen Pilze und Schädlinge ist. Zwei Beobachtungen ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch die Geschichte.
Zum einen wird – egal welcher Überlieferung man Glauben schenken mag – der Zeit der Saftruhe beim Thema Mondholz höchste Bedeutung zugemessen. Diese beginnt im Alpenraum oft schon Ende August und dauert bis Ende Jänner, je nach Höhenstandort auch bis Mitte Februar. „An Fabian und Sebastian (20. Jänner; Anm.) fängt der Saft zu steigen an“, sagt etwa eine alte Bauernregel.
Und zusätzlich zur Saftruhe wird auch auf die Wichtigkeit der Mondphase verwiesen. In Bauernregeln und Quellen aus unseren Breiten findet man, dass die Zeit des Neumondes und/oder des abnehmenden Mondes als ideale Erntezeit für Holz gilt, das länger halten soll.
Diese Aussagen decken sich mit Berichten aus der Antike und vielen Kulturen. So ist in Schriften aus dem alten Rom um 600 bis 400 vor Christus zu lesen, dass etwa Holz für Kriegsschiffe nur bei abnehmendem Mond geschlagen werden durfte. Schiffsbaumeister, die dagegen verstießen, wurden mitunter mit dem Tode bestraft, denn mit einer Flotte in See zu stechen, die der Schiffsbohrwurm morsch machen konnte, galt als Kapitalverbrechen.
Auch der Mainzer Universalgelehrte und Mönch Hrabanus Maurus (780–856) war überzeugt, dass Mondphasen und Schädlingsresistenz des Holzes zusammenhängen: „Holzwürmer befallen Bäume, welche zur unrechten Zeit gefällt worden sind.“
Und in einer Abschrift aus dem Jahre 1912, die sich auf das Wissen eines Wagnermeisters in St. Johann in Tirol beruft, ist zu lesen: „Das Holzschlagen, dass es fest und gleim (= dicht) bleibt, ist gut die ersten acht Tage nach dem Neumond im Dezember, wenn ein weiches Zeichen darauf fällt.“
Wissen vom Großvater
Dieses Wissen wurde über Generationen weitergegeben. Die ungewöhnliche Dauerhaftigkeit der Hölzer wurde etwa im Bergbau geschätzt, wo in feuchten Stollen häufig Pilzbefall auftritt. Genauso wussten jedoch Zimmermänner und Holzhandwerker, Floß- und Schiffsbauer, Geigen- und Klavierbauer das sagenumwobene Holz zu würdigen. Es sei weniger anfällig für Fäulnis, Schädlinge oder Flechtenbewuchs.
Der Salzburger Erwin Thoma, Forst- und Betriebswirt sowie mehrfacher Autor zum Thema Holz und Wald, hörte davon zum ersten Mal in den 1990er-Jahren: von seinem Großvater, einem Zimmermann der alten Schule. „In der Ausbildung zum Forstwirt hatte ich nichts darüber gelernt“, erzählt der gebürtige Pongauer. „Aber als ich mit meiner Familie umzog und meine Söhne im neuen Haus plötzlich Allergien entwickelten – ärztliche Tests ergaben, dass die Reizung der Atemwege von den verleimten Holzplatten im Haus kam –, beschlossen wir, alles rauszureißen und auf Vollholz ohne Chemie zu setzen. Damals meinte mein Großvater: ‚Nehmts doch gleich Mondholz.‘“
Der Borkenkäfer kennt kein Placebo.Erwin Thoma, Forst- und Betriebswirt
Thoma wiegelte erst ab. Doch der Großvater blieb hartnäckig. „Als ich dann meine erste Partie Mondholz fürs Haus erntete – wir haben im Jänner bei abnehmendem Mond gefällt –, da kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus.“ Denn: Die beauftragten Holzarbeiter schnitten auch nach der ausgewählten Mondphase weiter Bäume um, allerdings für einen anderen Abnehmer. Beide Partien Holz – das Mondphasenholz sowie die wenige Tage später geernteten Stämme – wurden nebeneinander auf einer Almwiese gelagert. „Im Frühjahr kam dann der Borkenkäfer. Allerdings befiel er nur das andere Holz, bei meiner Ernte war kein Befall zu sehen.“
Das war der Moment für Thoma, näher hinzuschauen, denn er sagte sich: „Der Borkenkäfer kennt kein Placebo. Es musste einen Grund geben, warum er sich ausgerechnet das andere Holz aussuchte, das im selben Waldstück, aber nur ein paar Tage später geerntet worden war.“
Thoma wälzte Bücher und versuchte Forschungsberichte zu finden, die das überlieferte Volkswissen und seine eigenen Beobachtungen erklären würden. Doch die Faktenlage war dünn. Mondholz wurde als Aberglaube bzw. als romantisierte Vorstellung des Waldes abgetan. Und die wenigen Untersuchungen, die im Labor gemacht wurden, konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Fällens und der Mondphase feststellen.
Doch Thoma ließ sich nicht entmutigen. Er begann selbst zu experimentieren und fasste seine Erfahrungen sowie altes Wissen, das ihm zugetragen wurde, im Buch „Dich sah ich wachsen: Was der Großvater noch über Bäume wusste“ (Servus Verlag) zusammen.
Das wiederum weckte das Interesse des Schweizers Ernst Zürcher, eines diplomierten Forstingenieurs und Professors für Holzwissenschaften an der Berner Fachhochschule. Zürcher begann, Fichten, Lärchen und andere Nadelhölzer aus „günstigen“ Mondphasen und „wenig günstigen“ Mondphasen zu analysieren. Seine Ergebnisse: Mondholz – also Holz, das zur Zeit der Saftruhe und bei abnehmendem Mond gefällt wurde – erwies sich als dichter, druckfester und auch resistenter gegen Pilz- und Insektenbefall.
Des Rätsels Lösung
Doch was war der Grund dafür? Und welche Rolle spielte der Mond nun genau? Die Lösung für dieses Rätsel sollte sich im Wasser finden, das durch die Baumstämme fließt. Genauer gesagt in jenen Kräften, die dieses Wasser an die Zellwand des Holzgewebes binden. Denn diese Kräfte sind Schwankungen unterworfen.
Zürcher und seine Forschungsgruppe entdeckten: Wasser ist im Baum in gleich zwei Zuständen zu finden. Es gibt „freies“ und „gebundenes“ Wasser.
Freies Wasser fließt durch die feinen Röhren und Hohlräume im Stamm.
Gebundenes Wasser vermengt sich mit den Holzzellen und bildet einen hauchdünnen Film.
In Abhängigkeit von der Mondphase findet sich im Baum mal mehr, mal weniger gebundenes Wasser. Das heißt: Bei zunehmendem Mond enthält ein Baum mehr freies Wasser. Bei abnehmendem Mond mehr gebundenes – und dadurch zieht sich das Holz bei der Trocknung stärker zusammen und wird in Summe dichter. Viel Wissenschaft auf einmal.
Erwin Thoma kennt die Studien, und müsste er die Mondholzfaktoren „Saftruhe“, „Wasser“ und „Himmelsgestirn“ in einfachen Worten seinem Enkelsohn erklären, dann würde er ihm Folgendes sagen:
„Insekten und Pilze, die das Holz zu Humus zersetzen, brauchen Futter, damit sie gute Arbeit machen. Und das wichtigste Futter ist Zucker. Wenn der Stamm voll im Saft steht, also beispielsweise in der Wachstumsphase im Sommer, dann ist sehr viel Zucker im Baum. Bei Saftruhe allerdings findet sich weniger Futter, und deshalb ist dieses Holz nicht so interessant für die holzzersetzenden Organismen. Kommt nun gebundenes Wasser durch die Mondphase dazu – also Saftruhe plus gebundenes Wasser –, wird das Holz bei der Trocknung dichter, und das macht es zusätzlich schwerer genießbar für Schädlinge.“
Nicht alle Forscher wollen die Studien zu Mondholz anerkennen. Denn die natürliche Schwankungsbreite der Holzeigenschaften sei zu groß und bislang nicht ausreichend untersucht. Erwin Thoma aber, der sein Waldwissen in den Büchern „Holzwunder“ und „Strategien der Natur“ weitergibt, ist von Mondholz, das er bei seinen Massivholzhäusern konsequent verwendet und das sogar für die Entwicklung von Rennskiern angefragt wurde, überzeugt. „Jeder, der mit Holz arbeitet, kennt die Regel, dass man in der warmen Jahreszeit gefällte Stämme niemals ungeschützt liegen lassen sollte, weil sie Pilzbefall erleiden und blau werden. Wir aber lassen unser Mondholz seit über zwanzig Jahren in großen Mengen ohne jeden Schutz den ganzen Sommer liegen, und es sieht auch im Herbst noch wie frisch geschlagen aus. Diese natürliche Resistenz überrascht Fachleute immer wieder.“ Und weiter: „Es kostet keinen Cent mehr, wenn ich den Baum nicht heute umschneide, sondern erst in zwei Wochen, wenn die Mondphase günstig ist. Es ist die gleiche Arbeit.“
Der ideale Christbaumschnitt
Ob es obendrein auch auf das richtige Tierkreiszeichen ankommt? In Mondkalendern finden sich Überlieferungen, wonach abnehmender Mond im Zeichen Steinbock für Holzarbeiten günstig wäre. Das Tierkreiszeichen Löwe hingegen lasse das Holz zu schnell trocknen. Doch das können weder Studien noch Erwin Thoma untermauern. Dennoch, die Beobachtungen unserer Vorfahren zu kennen und mit eigenen Erfahrungen abzugleichen ist nie verkehrt.
Das gilt auch für die Frage nach dem perfekten und nicht nadelnden Christbaum. Wenn wir in wenigen Wochen den schönsten Baum in unserem Heim haben wollen, dann raten alte Quellen: „Tannen, drei Tage vor dem elften Vollmond des Jahres geschlagen, behalten ihre Nadeln sehr lange Zeit.“ Die Mondkalender-Experten Johanna Paungger und Thomas Poppe meinen, dass auch die Tage vor dem zwölften Vollmond noch günstig wären. „Die alte Regel entstand wohl, weil die Schneehöhen früher um den zwölften Vollmond herum viel höher waren als um den elften.“
Beiden Empfehlungen ist gemein: Beim Christbaum gilt der zunehmende Mond als günstig, weil das Holz, anders als das Bauholz, eben nicht besonders dicht und leichter trocknend sein muss. Bis ins letzte Detail werden wir die Verbindung zwischen Mond und Baumwelt wohl nie verstehen. Doch dass eine Beziehung zum Himmelskörper besteht, das nehmen wir gerne mit von unserem Waldausflug.
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