So legt man ein Herbarium an
Was es mit der 1:20-Regel auf sich hat, warum das Gefrierfach der beste Freund des Herbariums ist und wie man der Flora die Windeln wechselt – wir verraten, was man wissen muss, wenn man auszieht, um die blühenden Schätze der Natur zu konservieren.
1. Gut gerüstet einen geeigneten Sammelort aufsuchen
In der Praxis haben sich für das Sammeln in freier Natur Baumscheren, Pflanzstecher und Taschenmesser zum Ausgraben bzw. Abschneiden von Pflanzenteilen bewährt. Astscheren erlauben auch das Sammeln von Pflanzenteilen, die aufgrund der Wuchshöhe nur schwer erreichbar sind. Die Blüten, Blätter und anderen Pflanzenteile fürs Pressen können aus dem eigenen Garten stammen, vom Floristen oder einer Wiese …
Gesammelt werden darf prinzipiell überall – außer in Naturschutzgebieten, sonstigen schützenswerten Biotopen (zum Beispiel Naturdenkmäler), auf Privatgrundstücken ohne Zustimmung des Besitzers oder auf Autobahnmittelstreifen (stellvertretend für alle unnötig riskanten Sammelaktionen).
Nicht in die mitgebrachten Sammelsackerl dürfen geschützte Pflanzen, gefährdete Rote-Liste-Arten und Pflanzen, die am jeweiligen Standort nur in wenigen Exemplaren vorkommen, unabhängig von ihrer Gefährdung.
Beim Sammeln gilt es die 1:20-Faustregel zu beachten: Von 20 Exemplaren am Standort darf höchstens eines entfernt, von 20 Zweigen eines Gehölzes darf nur einer mitgenommen werden. Diese Regelung stellt halbwegs sicher, dass isolierte Pflanzenstandorte nicht durch Sammeln vernichtet werden.
Mehr Wissenswertes über das Trocknen von Blumen und Pflanzen können Sie in der Oktober-Ausgabe von Servus in Stadt & Land nachlesen. Wir freuen uns, wenn Sie das Magazin hier bequem portofrei nach Hause bestellen oder sich für ein Abo mit Prämie entscheiden.
2. Der richtige Zeitpunkt
Vor dem Schneiden der Blumen und Blätter sollte man darauf achten, dass sie trocken sind. Der Tau muss verdampft sein. Dies ist meist am Vormittag der Fall. Die meisten Blüten sind dann am prächtigsten und farbintensivsten, wenn sie in voller Blüte stehen.
Einige Blüten sollte man jedoch zu anderen Zeitpunkten schneiden: Fast vollknospig sammelt man etwa Artischocke, Katzenpfötchen und Strohblume, direkt nach der Öffnung Alpendistel, Gräser, Kugeldistel und Sonnenflügel. Strandflieder begeistert zu drei Vierteln aufgeblüht. Kurz nach der Blüte können noch Flockenblume, Kugeldistel und Sonnenhut geschnitten werden.
Besonders schön nach der Samenbildung sind Astilbe, Fingerhut, Lampionblume und Lupine.
Nach Öffnen der Samenhülle entfalten Akanthus, Anemone und Jungfer im Grünen ihren Zauber.
Für das Sammeln von Blättern gilt: Noch junge Blätter sind am schönsten. Denn ist das Blatt zu lange zu hohen Temperaturen ausgesetzt, wird das Chlorophyll beschädigt, die Farbe verblasst.
3. Die Auswahl der Pflanzen
Flache Blumen wie Margeriten oder Geranien lassen sich leichter pressen als kegelförmige wie etwa Rosen oder Tulpen. Von Letzteren kann man beispielsweise einzelne Blütenblätter sammeln oder sie vor dem Pressen der Länge nach teilen.
Beim Sammeln sollte man darauf achten, dass die Blüten und Blätter nicht durch Insekten, Wind oder Ähnliches beschädigt wurden.
Ausnahme: Ein filigranes, natürlich skelettiertes (Blüten-)Blatt kann auch seinen Reiz haben und dem Bastelprojekt eine besondere Richtung geben.
Vorsicht bei Giftpflanzen. Beim Sammeln bitte Latexhandschuhe tragen, um Hautirritationen zu vermeiden.
4. Schätze sicher heimbringen
Am besten ist es natürlich, die gesammelten Blätter und Blüten gleich vor Ort in die Presse einzulegen. Dies gilt insbesondere für sehr hinfällige Arten wie Veronica oder Sonnenröschen – so bleiben die Blütenblätter dran.
Als Alternative empfiehlt es sich, die Pflanzen luftig in Plastik- bzw. Jausensackerln zu verpacken oder vorsichtig in (bei großer Hitze feuchtes) Zeitungspapier einzuschlagen.
In gut verschlossenen Sackerln können die Pflanzen übrigens über Nacht im Kühlschrank aufbewahrt und frisch gehalten werden, wenn sie nicht gleich weiterverarbeitet werden können.
Von der einst so verbreiteten Botanisiertrommel ist abzuraten – sie heizt sich stark auf, die Blüten verwelken dann schnell.
5. Vorbereitung ist alles
Vor dem Pressen sollte man sicherstellen, dass die Blüten, Blätter und übrigen Pflanzenteile frei von Erdresten und nicht doch noch von Tau oder Regen benetzt sind. Zusätzliche Feuchtigkeit könnte in der Presse nämlich zu Schimmelbildung führen.
Am besten legt man die Sammlung auf Küchen- oder Löschpapier auf. Eine halbe Stunde sollte reichen.
Die Pflanzen sollte man pressen, bevor sie welken.
6. Eine Blumenpresse bauen
Es gibt verschiedene Pressmethoden – etwa mittels Blumenpresse oder in einem Buch. Traditionelle Blumenpressen bestehen normalerweise aus Holz, Metallschrauben und ein paar Lagen Pappe und Papier.
7. Sanft pressen, nicht quetschen
Die Pflanzen werden auf der einen Hälfte eines offenen Zeitungspapierbogens naturgetreu ausgebreitet, sodass sich keine Teile überlappen und die Blätter nicht umklappen.
Große, flache Blüten legt man so hin, dass man hineinsehen kann.
Zu lange Pflanzen knickt man zickzackartig.
Die Pflanzen müssen auf dem Papier so angeordnet sein, wie sie schließlich im getrockneten Zustand vorliegen sollen. Jetzt wird die Zeitung geschlossen. In dieser einfachen Papierlage sollte die Pflanze bis zum endgültigen Trockenwerden bleiben.
Als Zwischenlage, sozusagen als Windel, legt man Löschpapier auf den Beleg und auf dieses dann den nächsten Zeitungspapierbogen zum Einlegen weiterer Pflanzen. Legt man die Falze der Zeitungen mit den Blüten und Blättern alle nach rechts, so hat man es beim Umlegen der Pflanzen später leichter.
Alle paar Lagen ein Stück Wellpappe einlegen, das sorgt für gute Belüftung. Beim Festdrehen der Muttern mit viel Gefühl vorgehen. Die Pflanzen sollen gepresst werden, nicht zerquetscht.
8. Schnell trocknen
Je schneller die Blumen trocknen, desto schöner bleiben Farbe und Form erhalten.
Der Erfolg hängt auch vom Fleiß beim „Windelnwechseln“ ab: Am Anfang sollten die Zwischenlagen täglich gegen trockenes Zeitungspapier ausgetauscht werden. Am zweiten Tag kann man die Lage der Blätter und Blüten übrigens noch sanft korrigieren.
Professionelle Sammler stellen die Presse in einen Trockenschrank. Es reicht jedoch meist, die Presse an einem gut belüfteten, trockenen Ort aufzustellen – beispielsweise auf der Heizung oder an ein sonniges Fenster.
Mit drei bis fünf Tagen Trockendauer ist zu rechnen. Fleischige Pflanzenteile brauchen meist etwas länger.
So kommen die Pflanzen ins Herbarium
Die gepressten, getrockneten Pflanzen werden mit schmalen Papierstreifen auf einen steifen Papierbogen aufgeklebt. Tixo ist ungeeignet. Alternative: gummierte Klebestreifen aus dem Künstlerbedarf.
Beim Aufkleben darauf achten, dass mit den Streifen keine für die Bestimmung wichtigen Merkmale überdeckt werden. Man klebt also mitten im Internodium, aber kurz unter Endblüten.
Große Blätter müssen an der Spitze fixiert werden. Grundsätzlich soll die Wurzel nach unten und die Blüte nach oben zeigen.
Kleinteile, die sich beim Pressen gelöst haben, werden in sogenannten Kapseln aufbewahrt. Dazu ein postkartengroßes Papierstück zu einem Umschlag falten, Einzelteile hineingeben, auf den Herbarbogen kleben. Auf jeden Beleg wird rechts unten ein vollständiges Etikett geklebt.
Für die Beschriftung einen Laserdrucker verwenden. Kugel- und Filzschreiber bleichen aus, ein Herbarbeleg soll aber Jahrhunderte halten.
Das Etikett enthält: Herbarbesitzer, Pflanzenfamilie, lateinischen Pflanzennamen mit Autor, Fundort, Messtischblatt (Quadrant, Rechts- und Hochwert), Standort, den geologischen Untergrund, Sammeldatum mit vollständiger Jahreszahl, Angabe über den Sammler (mit „leg.“ für legit = hat gesammelt), Angaben über den Bestimmer (mit „det.“ für determinavit = hat bestimmt), fortlaufende Sammelnummer.
Aufbewahrung: Fertige Herbarbögen werden alphabetisch nach Familie, Gattung und Art sortiert und in Jurismappen oder Schachteln trocken und lichtgeschützt in einem dicht schließenden Schrank (Insektenbefall!) aufbewahrt.
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