Nachspeise

Das Seewinkler Christkindl

Der Germteigstriezel in Form eines Jesuskinds hat im Seewinkel eine lange Tradition. Elsa Tschida aus Apetlon bäckt ihn für uns. Und erzählt dabei, wie Weihnachten früher war.

Violine, Adventkranz, Weinglas, Christkind, Germteig
Foto: Michael Reidinger
In Windeln gewickelt liegt das Christkindl im Stroh.  

„Damals war sogar die Luft heilig“, sagt Elsa Tschida schmunzelnd, während sie zur Rührschüssel greift und an das Weihnachten ihrer Kindheit zurückdenkt. „Der 24. Dezember war ein strenger Fasttag“, erzählt sie: „Wehe dem, der da beim Wurstbrotessen erwischt wurde. Das war a große Sünd’.“

Keine Sünde war es hingegen, vor der Mette, zur Fünf-Uhr-Jause, ein Stück Weihnachtsstriezel mit Butter und Marmelade zu verspeisen. Wobei das Gebäck im burgenländischen Seewinkel immer schon in der Form eines Christkindls gebacken wurde. Eine Tradition, wie sie im Buche steht und auf die man stolz ist: Gerne dürfen wir Elsa Tschida, der Seniorchefin des Gasthauses „Zum fröhlichen Arbeiter“ in Apetlon, beim Christkindlbacken über die Schulter schauen.

Vier Zöpfe und ein Heiligenschein

Beim Weihnachtsputz, sagt Elsa, mussten alle mithelfen. „Damit wir Kinder von den Vorbereitungen zur Bescherung nichts mitbekommen haben, sind wir tagsüber draußen zum Putzdienst eingeteilt worden. Die Furchen im Pflaster am Hof haben wir erst ausgekehrt und dann noch gewischt, und wehe, wenn eins von uns irgendwo einen Putzfetzen liegen hat lassen. Dann hat gleich ein Donnerwetter gedroht.“

Wenn endlich alles sauber war, ging’s für die Kleinen in die Kindermette, die in Apetlon um 15 Uhr stattfand. „Es hat immer geheißen: ,Gehts fria, sunst miaßts stehn!‘“, erinnert sich Elsa Tschida an die Zeit, als man sich noch anstellen musste, um bei der Messe einen Sitzplatz zu bekommen.

Während sie erzählt, knetet die Wirtin den Germteig mit routinierten Handbewegungen noch einmal durch. Der Weihnachtsstriezel wird traditionell aus vier Zöpfen geflochten. Die Enden schlägt man zwecks gleichmäßiger Optik nach unten ein. Aus dem vorher zurückbehaltenen Teigstück wird dann ein Heiligenschein geformt, und zwei kleine Teigkugerln stellen die Augen dar. Damit das fertige Christkindl glänzt und strahlt, bestreicht man es vor dem Backen mit einem verschlagenen Ei. „Etwa eine Stunde backe ich’s bei milder Hitze“, erklärt Elsa Tschida.

Nach der Zubereitung geht es ans Dekorieren. Elsa schlägt das Germgebäck wie ein Baby in ein Leintuch ein. „Solche weißen Tücher aus Hausleinen hat damals jede Frau in der Aussteuer gehabt“, weiß die Apetlonerin zu berichten.

Lebkuchen, Stollwerck und Lametta

Derart aufgeputzt ist das Christkindl bereit für einen Ehrenplatz am Esstisch. „Bei uns wurde und wird es immer auf einer Platte angerichtet und auf Nüsse und Äpfel gebettet“, erzählt Elsa Tschida. Traditionell erfolgt der Anschnitt immer von unten her, also beginnend an den Füßen.

In früherer Zeit ließen viele Familien den Weihnachtsstriezel vom Pfarrer segnen und verfütterten zu Mitternacht auch ein paar Stücke an die Tiere. „Unser Großvater hat uns Kindern immer erzählt, dass die Tiere am Heiligen Abend sprechen würden“, erinnert sich Elsa, „und dass er sie um Mitternacht fragen wird, ob wir sie übers Jahr hin eh gut versorgt haben. Natürlich haben wir Kinder ihm das geglaubt, so wie wir auch ans Christkind geglaubt haben, das uns jedes Jahr eine Fichte mit Lebkuchen, Windringen, Stollwerck und Lametta ins Haus gestellt hat.“

Für die musikalische Untermalung sorgten in der Zeit zwischen Bescherung und Mitternachtsmette die Weihnachtssinger, eine Gruppe Burschen, die in Apetlon singend von Haus zu Haus gingen, bis sie die Runde durchs ganze Dorf vollendet hatten. Kinder wie auch Erwachsene erwarteten sie mit großer Ungeduld. „Klar, dass man ihnen neben Wein und bunten Likören auch ein Stück vom Christkindlstriezel angeboten hat.“ Die Zeit bis zur Mitternachtsmesse haben sich die Erwachsenen dann mit Kartenspielen und Erzählen vertrieben.

Weihrauch, Geselchtes und Panierter Fisch

Erst nach der Messe gab es die erste – und einzige – warme Mahlzeit des Tages, die, weil da ja bereits der 25. Dezember begonnen hatte, auch Fleisch enthalten durfte. Zum Duft von Fichtennadeln und Weihrauch mischte sich so alsbald auch der Geruch von Würsten, Geselchtem oder paniertem Karpfen.

Vom Christkindlstriezel war zu diesem Zeitpunkt in den meisten Apetloner Haushalten längst nichts mehr übrig. Auch heute noch ist das Gebäck rasch aufgegessen – außer man ist so schlau wie Elsa Tschida. Die bäckt nämlich sicherheitshalber immer zwei Christkindl.

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Menge Zubereitungszeit Gesamtzeit
1 Stück 2:15 Stunden 3:15 Stunden
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Zutaten
170 g Butter
500 ml Milch
1 Würfel Germ
5 Dotter
750 g Mehl
200 g Kristallzucker
geriebene Schale von 1 Zitrone
1 Pkg. Vanillezucker
Salz
50 g Rosinen (wahlweise)
1 Ei zum Bestreichen
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Zubereitung
  1. Zuerst ein Dampfl zubereiten:
    Dafür die Butter in warmer Milch zerlassen. 2 bis 3 EL davon in einer Schüssel mit 1 EL Kristallzucker vermengen, die Germ einbröseln und die Schüssel mit einem Tuch abdecken. Ca. 10 Minuten stehen lassen, bis sich ein kleiner Gupf bildet. (Schritt für Schritt-Bilder: Michael Reidinger)

    Topf, Butter, Eier, Rosinen, Mehl, Zucker, Salz, Backpulver
    Foto: Michael Reidinger
    Die Zubereitung des Dampfl.
  2. In einer Rührschüssel die restliche Butter-Milch-Mischung, Dotter, Mehl, Kristallzucker, Zitronenschale, Vanillezucker, eine kleine Prise Salz und eventuell die Rosinen vermengen, das Dampfl hinzufügen und alles zu einem Teig verkneten. Schüssel mit einem Geschirrtuch zudecken und den Teig an einem warmen Ort ca. eine Stunde gehen lassen.

    Geschirrtuch, Teig
    Foto: Michael Reidinger
    Der Teig muss nun rasten.
  3. Backrohr auf 150 °C Ober-/Unterhitze vorheizen.

  4. Den aufgegangenen Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche noch einmal gut durchkneten und in fünf gleich große Teile teilen.

  5. Einen Teil für das Gesicht zurückbehalten, die anderen vier zu gleich langen Strängen rollen und nebeneinander auf der leicht bemehlten Arbeitsfläche auflegen. Die oberen Enden fest zusammendrücken. Zum Flechten des Viererzopfs den rechten äußeren Strang in die Mitte legen, danach folgt der linke äußere Strang. Diesen ebenfalls in die Mitte legen, aber über den ehemals rechten äußeren Strang.

    Teigrollen, Hände, Holzbrett
    Foto: Michael Reidinger
    Der Teig wird zu vier Rollen geformt.
  6. Diesen Vorgang wiederholen, bis man am Ende des Striezels angekommen ist. Den Abschluss nach innen schlagen.

    Teig, Holzbrett, Hände
    Foto: Michael Reidinger
    Das Christkindl wird geflochten.
  7. Aus dem übrigen Teig Kopf, Augen und den Heiligenschein des Christkindls formen. Heiligenschein mit der Teigkarte in regelmäßigen Abständen zur Hälfte einschneiden, um die Strahlen-Optik zu erreichen.

    Teig, Teigware, Hände, Holzbrett
    Foto: Michael Reidinger
    Mit einem Teigspatel den Heiligenschein formen.
  8. Den Striezel auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen und weitere 20 Minuten zugedeckt gehen lassen.

  9. Ein Ei verquirlen und den Striezel damit bestreichen.

    Tasse, Pinsel, Backblech, Striezel
    Foto: Michael Reidinger
    Die Figur mit Ei bestreichen.
  10. Bei 150 °C ca. eine Stunde backen.

    Striezel, Windel, Hände, Backblech
    Foto: Michael Reidinger
    Das Christkind wird eingepackt.
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