Bezaubernder Flieder: pflanzen, schneiden & vermehren
So viele kleine Blüten, die gemeinsam zu solch atemberaubender Pracht verschmelzen. Wenn der Flieder wieder blüht, dann ist das ein Fest für alle Sinne. Aber warum meiden ihn eigentlich unsere fleißigen Bienen? Wir klären auf.
Man schrieb das Jahr 1565, als diese Liebesgeschichte begann. Damals kehrte der österreichische Gesandte Ogier Ghislain de Busbecq vom Hof des türkischen Sultans nach Wien zurück. Im Gepäck hatte der hohe Herr eine fürwahr außergewöhnliche Pflanze. Es war der Flieder, der fortan mit seinem Duft und seiner Schönheit gleichermaßen Könige und Bauersleut, Dichter und Gärtner in ganz Europa betörte. Und diese Liebe währt bis heute.
Ja, die Liebe, die ist beim Flieder all gegenwärtig – nicht nur in Heimatfilmen, sondern sogar in seiner botanischen Bezeichnung Syringa vulgaris.
Namensgebend war die liebreizende Nymphe Syrinx, die den ziegenfüßigen Hirtengott Pan verschmähte und vor dessen Zudringlichkeiten bis zum Ufer des Flusses Ladon flüchtete. Dort flehte sie ihre Schutzgöttin Artemis an, sie in Schilfrohr zu verwandeln. Der heraneilende Pan bekam dies mit und fertigte aus dem Nymphenschilf eine Panflöte an. Auf diese Weise war er seiner Nymphe für immer verbunden.
Eine ähnlich starke Symbolkraft hat auch die Sprache der Blumen: Wer seiner Angebeteten rote Rosen schenkt, fällt gleichsam mit der Tür ins Haus – Flieder vermittelt die gleiche Botschaft, nur halt etwas leiser und vielleicht deshalb umso berührender. In den traditionellen Muttertagsstrauß gehört der duftende Botschafter sowieso.
Wie Flieder in der Vase hält
Wo Liebe ist, ist auch Versuchung. Wo mit wir bei einer kleinen, lässlichen Sünde unserer Kindheit und der Frage wären: Wer von uns hat noch nie heimlich ein paar blühende Fliederzweige aus Nachbars Garten oder an der Dorfböschung abgezwickt? Ebenso weit verbreitet wie das Fliederfladern ist auch die Erkenntnis: In der Vase hält die Schönheit der Rispen nur kurz – außer man beachtet ein paar Regeln.
Die wichtigste: Flieder bitte immer in aller Früh pflücken bzw. schneiden – da sind die Zweige noch vollgesogen mit Wasser. Außerdem sollte man alle Blätter entfernen, die Stiele mit einem scharfen Messer an schneiden und sie mit einem kleinen Hammer vorsichtig zerfasern. All das verlängert die Haltbarkeit um zwei, drei Tage.
Flieder im Garten: Sorte, Standort, Rückschnitt & Vermehren
So mimosenhaft und verletzlich der Flieder als Blumenschmuck auf dem Tisch oder dem Fensterbrett ist, so genügsam und pflegeleicht ist er im Garten. Nur Staunässe sollte man generell vermeiden. Alle Arten vertragen zeitweise Trockenheit recht gut und lieben vor allem die Sonne. Dafür spendet die romantische Syringa dann umso schöneren Schatten. Vor allem die Wildformen bilden jede Menge Ausläufer; rundherum treiben kleine Schösslinge, aus denen dann neue Sträucher entstehen. Auf diese Weise kann sich der Flieder im Garten quasi fortbewegen.
Wenn der weiße Flieder wieder blüht, sind ich dir mein schönstes Liebeslied. Immer, immer wieder knie ich vor dir nieder, trink dir den Duft von weißem Flieder…Aus dem gleichnamigen Heimatfilm (1953), in der Romy Schneider ihre erste Filmrolle spielte.
Wer in der Baumschule Edelflieder besorgt, sollte darauf achten, dass er keinen Gewöhnlichen Flieder, der nur veredelt wurde, erwischt – der würde nämlich erst recht wieder von unten wild durchtreiben. Wurzelechte Flieder, aus Stecklingen vermehrt, bleiben hingegen, was und wo sie sind.
Wenn der Fliederbusch schön langsam zu groß wird, kann man ihn ruhig zurückschneiden. Dabei sollte man aber wissen, dass sich die Blüten schon an den Vorjahrestrieben bilden.
Kleinere Schnittmaßnahmen lassen sich gleich nach der Blüte gut durch führen, für eine richtige Verjüngung ist der Herbst die richtige Zeit. Der Strauch wird dabei auf etwa 40 bis 60 cm reduziert. Das birgt freilich das Risiko, dass die Pflanze abstirbt. Deshalb ist es gescheiter, statt des radikalen Schnitts zwischendurch immer wieder ein bisschen auszulichten.
Nun weiß ich doch, ’s ist Frühling wieder. Ich sah es nicht vor so viel Nacht und lange hatt’ ich’s nicht gedacht. Nur merk’ ich erst, schon blüht der Flieder.Karl Kraus (1920)
Schließlich die für Gärtner wichtige Frage: Ist der Flieder auch ein guter Nachbar? Ja, er ist durchaus gesellschaftsfähig. Zwischen anderen frühjahrsblühenden Sträuchern wie Kolkwitzie, Pfeifenstrauch, Weigelien oder Zieräpfeln macht er eine schöne Figur. Auch ein Strauch in Solitärstellung hat seinen Reiz. Gar nicht grün sind sich dagegen Maiglöckchen und Flieder – die möchten nie in ein und derselben Vase stehen.
Warum mögen Bienen keinen Flieder?
Unsere heimischen Bienen machen ebenso einen Bogen um ihn. Über die Gründe rätseln selbst Experten: Vielleicht liegt es an der Blütenform, die eher den Schmetterlingen mit ihren langen Rüsseln entgegen kommt; vielleicht daran, dass in der angeborenen Duftwelt der Immen der einst aus südlichen Gefilden zu uns gebrachte Flieder bis heute fremd und exotisch wirkt, oder schlicht daran, dass die Rispen bei aller Pracht einfach zu wenig Nektar liefern.
Übrigens: Auch Kuh, Pferd oder Esel mögen Flieder nicht. Das kommt daher, dass die blühende Pflanze wohl betörend duftet, aber in allen Teilen sehr bitter schmeckt.
In der Medizin spielt der Flieder gar keine Rolle. Mit dem geflügelten Satz „Guten Morgen, Herr Flieder, ich bring dir mein Fieber“ ist vielmehr der mit Syringa vulgaris gar nicht verwandte Schwarze Holunder (Sambucus nigra) gemeint, den die Norddeutschen umgangssprachlich als Flieder bezeichnen und aus dessen Blüten tatsächlich ein Fiebertee zubereitet wird.
In diesen Kontext passt auch ein Märchen von Hans Christian Andersen. Da wächst aus einer Teekanne am Bette eines kranken Buben ein Fliederbaum heraus, in dem das „Fliedermütterchen“ sitzt. Dieses Weiblein nimmt den Knaben mit auf eine Reise in warme Länder – und als er aus seinem Schlaf erwacht, ist alles wieder gut.
Flieder (Syringa vulgaris)
Familie: Ölbaumgewächse (Oleaceae). Bei uns sind etwa 30 Fliederarten verbreitet.
Standort: Flieder bevorzugt kalkreiche Böden in voller Sonne, hält auch trockene Hitze aus.
Pflanzung: Am besten im Frühjahr oder Herbst in nährstoffreichen, eher trockenen Böden.
Pflege: Sträucher laufend auslichten, also ganze Zweige von unten herausschneiden. Eine Kompostgabe pro Jahr und das Ausschneiden abgeblühter Blütenrispen fördern die Blütenbildung im Folgejahr. Nach einem radikalen Rückschnitt dauert es zwei bis drei Jahre, bis der Strauch wieder blüht.
Blüte: Von April bis Mai in vielen Farben von Dunkelviolett über Violettrot bis zu Gelb oder Weiß.
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